sexuelle Orientierung

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Wer nun für sich herausgefunden hat, wie er/sie/es sich selbst in seiner Geschlechterolle erkennt – ein wahrhaft göttlicher Schritt (1) – dann machen die Anderen alles komplizierter (nein, das meinte Sartre nicht, als er die Anderen zur Hölle erklärte (2) ;-)).

„Für wen interessiere ich mich sexuell?“ ist hier die Frage. Also: mit wem könnte ich mir vorstellen, sexuell intim zu werden? Wer zieht mich sexuell an?
Und wenn der ganze Sinn dieser Beiträge auch darin liegt festzustellen, dass es mit zwei Geschlechtern nicht einfach getan ist, stammen die Begriffe, mit denen die sexuelle Orientierung beschrieben wird, zum Teil aus der Zeit der schwarz-weiß-Malerei in dem Bereich. Will sagen: ein Mann (wie auch immer er definiert wird), der sich für Frauen (dito) sexuell interessiert, interessiert sich für das andere (altgriechisch ‚heteros’=der andere) Geschlecht (latein ’sexus‘), er ist also heterosexuell (von außerhalb auch gerne ‚Hete‘ genannt). Schön einfach: das gleiche gilt für Frauen, die Männer scharf finden (wieder mit allen definitorischen Details, von Außerhalb werden Frauen mit dieser Orientierung auch gerne ‚Heteras‘ genannt).
Und dann gibt es noch die Menschen, die sich für zwei (lateinische Vorsilbe ‚bi-‚ für zwei) Geschlechter interessieren, die sind dann bisexuell (‚bi‘ in der Kurzform). Wenn an dieser Stelle davon ausgegangen wird, das es eben nur die Geschlechter ‚Mann‘ und ‚Frau‘ gibt, kann ‚bi‘ auch als einschränkend und verstaubt und heteronormativ (es ist die Norm, dass es nur zwei Geschlechter gibt) empfunden werden. Eine schöne neuere Interpretation des Biseins ist „interessiert am eigenen und anderen Geschlechtern“ – da kommt auch die zwei ein wenig vor (3). Effektiv das Gleiche wie „pan“ (siehe unten).
Doch – auch wenn es lange her ist – das Altgriechische war mal eine lebende Sprache und hat noch mehr zu bieten und so gibt es inzwischen viele Menschen, die sagen, es kommt ihnen nicht wirklich darauf an, was für ein Geschlecht das oder die Gegenüber haben, wenn es darum geht, ob Sex mit ihnen in Betracht kommt oder nicht. Wenn also alle (Vorsilbe ‚pan‘) Geschlechter, binär oder nicht, sexuell für ein Individuum attraktiv sind, dann ist dieser Mensch eben pansexuell (‚pan‘ in der Kurzform). Da gbt es in der RosaLinde Leipzig auch eine Gruppe für.
Und was, wenn nun jemand schlicht kein  (lateinische Vorsilbe ‚a-‚) Interesse an Sex mit anderen hat? Nu, dann ist dieser Mensch eben asexuell (4). Gemeiner Weise wird Asexuellen gerne mal in Abrede gestellt, zur Queer-Gemeinschaft zu gehören. Offenbar scheint es so exotisch zu sein, einfach kein Interesse an Sex zu haben, dass auch die Menschen, die für ihre Vorlieben verfolgt wurden und werden meinen, sie ausschleßen zu müssen. Mit Verlaub: ist ja wohl Quark! Und Glücklicher Weise geht der Trend auch eher in Richtung “ Wir gehören alle zusammen“. In diesem Sinne gibt es auch in der RosaLinde dem queeren Zentrum in Leipzig – und in vielen anderen Städten bestimmt auch –  den Treff  Ah! Sexuell.

Jup, das sind die ganz groben Kategorien und selbst für die gibt es noch unterschiedliche, etwas ungebräuchlichere, Worte aus toten Sprachen (z.B. ‚Ambisexuell‘ für Bi oder ‚Omnisexuell‘ für Pan oder ‚Alloiophilie‘ für Heten), aber zum einen möchte ich einigermaßen trennscharf zu den Beiträgen „sexuelle Interessen“ und „emotionale Ausrichtung“ bleiben und zum anderen soll dieser Text einigermaßen kurz bleiben. Als viel ausführlichere Quelle sei an dieser – und einigen anderen – Stellen ein Buch in englischer Sprache empfohlen (5). Best-practice-tip: einfach fragen, ob und falls woran das Gegenüber interessiert ist.

(1) „Erkenne Dich selbst“ Wikipedia-Artikel zu dem  berühmten Spruch vom Apollo-Tempel in Delphi

(2) Jean-Paul Sartre -1991-„Geschlossene Gesellschaft.“ Deutsch von Traugott König; Rowohlt Taschenbuchverlag Hamburg;
Seite 59, 5. Auftritt „Die Hölle, das sind die anderen.“
(Original franz.: „L’enfer, c’est les autres.“ – Huis Clos)

(3) Die Diskussion ist lange auch bei den entsprechenden Vereinen angekommen.

(4) Moderne Zeiten: eine virtuelle Infoseite mit Links zu Foren zum Thema Asexualität bietet aven-info.de.

(5) Ashley Mardell -2016-The ABC’s of LGBT+„; Dragon Fruit

Autor: Björn Melzer

Promovierter Botaniker, der ganz viel über Bienchen und Blümchen weiß. Und sich seit Jahrzehnten mit Sexologie beschäftigt.

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